Arogno 45

 
Arogno 45 | Das Uhrwerksarchiv

Arogno 45

Beschreibung

Ein Werk, das auf den ersten Blick viel verspricht, bei genauerer Betrachtung aber vieles davon nicht einhalten kann, wird gemeinhin als “Blender” bezeichnet.

Solche Werke gibt es nicht erst seit jüngster Zeit (man denke nur an angedeutete “Tourbillons” oder unechte Skelettierungen), schon vor 80 Jahren gab es Werke, die man als “Blender” bezeichnen kann.

Arogno 45: 15-steinige Ausführung

15-steinige Ausführung

Wenn man dieses Werk das erste Mal sieht, mit seinem sichtbaren Aufzug und seinen Räderwerkskloben, allesamt mit Steinlagern und anglierten Kanten versehen, könnte man glatt auf die Idee kommen, es hier mit einem besonders hochwertigen Werk zu tun zu haben.

Arogno 45: Grundplatine

Grundplatine

Sobald man sich allerdings in der 10-steinigen Version die Grundplatine etwas genauer ansieht, muß man leicht schockiert feststellen, dass an den nicht sichtbaren Stellen keine Steinlager mehr verwendet werden, sondern nur einfache Stahllager. Weiterhin überrascht auch der Kupplungsaufzug, den man von der Zifferblattseite her durchscheinen sieht.

Alles gemäß dem Motto: Was nicht im Sichtfeld ist, benötigt keine hochwertige Ausführung.

Arogno 45: Grundplatine, 15-steinige Ausführung

Grundplatine, 15-steinige Ausführung

Die 15-steinige Version besitzt dagegen wenigstens an allen Lagern Lagersteine.

Arogno 45: Räderwerk

Räderwerk

Immerhin: Das Räderwerk ist das, was bei normalen bis guten Palettenankerwerken Standard ist: Federhaus, direkt angetriebenes Minutenrad in der Mitte, Kleinbodenrad, Sekundenrad auf 6 Uhr und Stahl-Ankerrad.

Arogno 45: Seitenansicht des Räderwerks

Seitenansicht des Räderwerks

Die natürlich noch nicht stoßgesicherte monometallische Schraubenunruh arbeitet mit 18000 Halbschwingungen pro Sekunde, wird über einen langen Rückerzeiger feinjustiert und reguliert ein klassisches schweizer Palettenankerwerk.

Arogno 45: Räderwerksbrücke

Räderwerksbrücke

Richtiges Blendwerk ist die Räderwerksbrücke: Ankerrad, Sekundenrad und Kleinbodenrad laufen keineswegs in eigenen Kloben, sondern sämtliche Lager, inklusive Minutenrad und Federhaus sind Teil einer einzigen Räderwerksbrücke, die nur entsprechend ausgestanzt ist (daher auch die sechseckigen Steinfassungen und Kanten-Anglierungen).

Selbst die Schrauben der angedeuteten Ankerrad- und Kleinbodenradkloben sind vollkommen sinnlos!

Arogno 45: Innenseite der Räderwerksbrücke

Innenseite der Räderwerksbrücke

Auf der Innenseite der Räderwerksbrücke wird der Schwindel noch deutlicher.

Alle Lager unter einer einzigen Brücke - das kennt man eigentlich nur aus dem Low-End-Bereich!

Arogno 45: (k)ein Aufzugsmechanismus

(k)ein Aufzugsmechanismus

Nicht weniger Schwindel ist das, was das Werk auf der Oberseite der Räderwerksbrücke als Aufzug andeuten will. Die beiden Zahnräder haben nämlich überhaupt keine Funktion, es gibt keinerlei Eingriff und auch kein Gesperr, das dort eingreift.

Optisch hui, technisch pfui!

Arogno 45: Arogno 45: Zifferblattseite

Arogno 45: Zifferblattseite

Der eigentliche Aufzugs des Werks liegt, wie normalerweise nur bei billigen Stiftankerwerken, auf der Zifferblattseite und wird über einen Wippenaufzug betätigt. Das Gesperr besteht lediglich aus einer einzigen Feder, weniger geht nicht!

Interessant ist, dass das Arogno 45 noch eine angedeutete Teil-Minuterie auf der Zifferblattseite besitzt. Bessere Werke nutzen soetwas gerne, um die Regulierung des Rohwerks zu erleichtern.

Arogno 45: Zifferblattseite 15-steinige Ausführung

Zifferblattseite 15-steinige Ausführung

Wie man sieht, ist das Arogno 45 tatsächlich ein ziemlicher Blender. Es ist zwar ein technisch als Palettenankerwerk durchaus in Ordnung, aber es will durch seinen Fake-Aufzug, durch seine Fake-Kloben und (zumindest in der 10-steinigen Ausführung) Hoffnung auf überall verwendete Steinlager deutlich mehr versprechen, als es am Ende halten kann. Dass es soetwas schon vor 80 Jahren gab, ist durchaus etwas überraschend!

Im Labor

Das vorgestellte Exemplar mit 10 Steinen kam in verharzten Zustand und mit defekter Kronenwelle ins Labor. Die Kronenwelle wurde ersetzt und dem Werk wurde ein einfacher Service spendiert.
Das 15-steinige Exemplar krankt an einem losen Unruh-Plateau, das mit den vorhandenen Werkzeugen nicht stabil befestigt werden kann.

Zeitwaagen-Ergebnis

Die Werte des 10-steinigen Werks auf der Zeitwaage liegen im Bereich des Erwartbaren für ein vergleichsweise einfaches Ankerwerk, das längst seine Nutzungszeit bei weitem überschritten hat und auch nur einen einfachen Service erhielt.

horizontale Lagen
Zifferblatt oben +19 s/Tag 264° 3.3ms
Zifferblatt unten -8 s/Tag 232° 3.7ms
vertikale Lagen
Krone rechts (12 oben) -20 s/Tag 212° 4.1ms
Krone oben (3 oben) -26 s/Tag 224° 3.6ms
Krone links (6 oben) -65 s/Tag 217° 4.0ms
Krone unten (9 oben) -73 s/Tag 197° 5.0ms

Technische Daten

Hersteller:Arogno
Kaliber:45
Größe:10 1/2''' (gemessen: 23,3mm)
Halbschwingungen pro Stunde:18000
Anzahl Steine:10/15
Hemmung:Anker
Unruh-Ausführungen: Nickel-Schraubenunruh
Stoßsicherung(en): keine
Unruhlagerung / Richtung Spirale:Uhrzeigersinn
beweglicher Spiralklötzchenträger:nein
Regulierorgan:Rückerzeiger mit langem Arm
Werksaufbau:
  • Anker
  • Ankerrad (Hemmungsrad), Sekundenrad, Kleinbodenrad, Minutenrad, Federhaus
Bauweise:Massivbau
Aufzugstyp:Wippenaufzug
Winkelhebelfeder:4 Loch/Löcher
Ausstattung:
  • s (dezentrale Sekunde)
Referenzen: Flume: K1 -
Inventarnummer:19018

Anwendungsgalerie

Arogno 45: Ancre Herrenuhr (10 Jewels)

Ancre Herrenuhr (10 Jewels)

Arogno 45: anonyme Herrenuhr (15 Jewels)

anonyme Herrenuhr (15 Jewels)

Dieses Werk wurde in der 10-steinigen Ausführung von Lars Schröder und in der 15-steinigen Version von Philipp Porter gespendet. Vielen Dank für die Unterstützung des Uhrwerksarchivs!

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