Beschreibung
Ein Werk, das auf den ersten Blick viel verspricht, bei genauerer Betrachtung aber vieles davon nicht einhalten kann, wird gemeinhin als “Blender” bezeichnet.
Solche Werke gibt es nicht erst seit jüngster Zeit (man denke nur an angedeutete “Tourbillons” oder unechte Skelettierungen), schon vor 80 Jahren gab es Werke, die man als “Blender” bezeichnen kann.
Wenn man dieses Werk das erste Mal sieht, mit seinem sichtbaren Aufzug und seinen Räderwerkskloben, allesamt mit Steinlagern und anglierten Kanten versehen, könnte man glatt auf die Idee kommen, es hier mit einem besonders hochwertigen Werk zu tun zu haben.
Sobald man sich allerdings in der 10-steinigen Version die Grundplatine etwas genauer ansieht, muß man leicht schockiert feststellen, dass an den nicht sichtbaren Stellen keine Steinlager mehr verwendet werden, sondern nur einfache Stahllager. Weiterhin überrascht auch der Kupplungsaufzug, den man von der Zifferblattseite her durchscheinen sieht.
Alles gemäß dem Motto: Was nicht im Sichtfeld ist, benötigt keine hochwertige Ausführung.
Die 15-steinige Version besitzt dagegen wenigstens an allen Lagern Lagersteine.
Immerhin: Das Räderwerk ist das, was bei normalen bis guten Palettenankerwerken Standard ist: Federhaus, direkt angetriebenes Minutenrad in der Mitte, Kleinbodenrad, Sekundenrad auf 6 Uhr und Stahl-Ankerrad.
Die natürlich noch nicht stoßgesicherte monometallische Schraubenunruh arbeitet mit 18000 Halbschwingungen pro Sekunde, wird über einen langen Rückerzeiger feinjustiert und reguliert ein klassisches schweizer Palettenankerwerk.
Richtiges Blendwerk ist die Räderwerksbrücke: Ankerrad, Sekundenrad und Kleinbodenrad laufen keineswegs in eigenen Kloben, sondern sämtliche Lager, inklusive Minutenrad und Federhaus sind Teil einer einzigen Räderwerksbrücke, die nur entsprechend ausgestanzt ist (daher auch die sechseckigen Steinfassungen und Kanten-Anglierungen).
Selbst die Schrauben der angedeuteten Ankerrad- und Kleinbodenradkloben sind vollkommen sinnlos!
Auf der Innenseite der Räderwerksbrücke wird der Schwindel noch deutlicher.
Alle Lager unter einer einzigen Brücke - das kennt man eigentlich nur aus dem Low-End-Bereich!
Nicht weniger Schwindel ist das, was das Werk auf der Oberseite der Räderwerksbrücke als Aufzug andeuten will. Die beiden Zahnräder haben nämlich überhaupt keine Funktion, es gibt keinerlei Eingriff und auch kein Gesperr, das dort eingreift.
Optisch hui, technisch pfui!
Der eigentliche Aufzugs des Werks liegt, wie normalerweise nur bei billigen Stiftankerwerken, auf der Zifferblattseite und wird über einen Wippenaufzug betätigt. Das Gesperr besteht lediglich aus einer einzigen Feder, weniger geht nicht!
Interessant ist, dass das Arogno 45 noch eine angedeutete Teil-Minuterie auf der Zifferblattseite besitzt. Bessere Werke nutzen soetwas gerne, um die Regulierung des Rohwerks zu erleichtern.
Wie man sieht, ist das Arogno 45 tatsächlich ein ziemlicher Blender. Es ist zwar ein technisch als Palettenankerwerk durchaus in Ordnung, aber es will durch seinen Fake-Aufzug, durch seine Fake-Kloben und (zumindest in der 10-steinigen Ausführung) Hoffnung auf überall verwendete Steinlager deutlich mehr versprechen, als es am Ende halten kann. Dass es soetwas schon vor 80 Jahren gab, ist durchaus etwas überraschend!
Im Labor
Das 15-steinige Exemplar krankt an einem losen Unruh-Plateau, das mit den vorhandenen Werkzeugen nicht stabil befestigt werden kann.
Zeitwaagen-Ergebnis
Die Werte des 10-steinigen Werks auf der Zeitwaage liegen im Bereich des Erwartbaren für ein vergleichsweise einfaches Ankerwerk, das längst seine Nutzungszeit bei weitem überschritten hat und auch nur einen einfachen Service erhielt.horizontale Lagen | |||
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Zifferblatt oben | +19 s/Tag | 264° | 3.3ms |
Zifferblatt unten | -8 s/Tag | 232° | 3.7ms |
vertikale Lagen | |||
Krone rechts (12 oben) | -20 s/Tag | 212° | 4.1ms |
Krone oben (3 oben) | -26 s/Tag | 224° | 3.6ms |
Krone links (6 oben) | -65 s/Tag | 217° | 4.0ms |
Krone unten (9 oben) | -73 s/Tag | 197° | 5.0ms |
Technische Daten
Hersteller: | Arogno |
Kaliber: | 45 |
Größe: | 10 1/2''' (gemessen: 23,3mm) |
Halbschwingungen pro Stunde: | 18000 |
Anzahl Steine: | 10/15 |
Hemmung: | Anker |
Unruh-Ausführungen: |
Nickel-Schraubenunruh |
Stoßsicherung(en): |
keine |
Unruhlagerung / Richtung Spirale: | Uhrzeigersinn |
beweglicher Spiralklötzchenträger: | nein |
Regulierorgan: | Rückerzeiger mit langem Arm |
Werksaufbau: |
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Bauweise: | Massivbau |
Aufzugstyp: | Wippenaufzug |
Winkelhebelfeder: | 4 Loch/Löcher |
Ausstattung: |
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Referenzen: |
Flume: K1 - |
Inventarnummer: | 19018 |