Beschreibung
Das Kienzle Kaliber 057/21d, die sogenannte Volksautomatik, die Mitte der 50er Jahre auf den Markt kam, war das einzige hauseigene Automaticwerk der Schwennigner Uhrenfabrik.
Video on YouTubeIm Gegensatz zu den restlichen Handaufzugsmodellen von Kienzle war die Volksautomatik mit dem damaligen Verkaufspreis von 65.- DM rund dreimal so teuer, weswegen diese Uhren vergleichsweise selten verkauft wurden und schon 1963 wieder die Verkaufstresen verließen.
Das Kaliber 057/21d ist eine reinrassige hauseigene Konstruktion, die qualitativ deutlich höherwertiger, als die restlichen Handaufzugswerke war.
Der Rotor ist federnd achsengelagert und besitzt einen Schwermetallreif.
Der Automaticmechanismus läßt sich nach dem Lösen von drei Schrauben komplett vom Werk entfernen.
Das fliegend gelagerte Wechselrad, das im Eingriff mit dem Rotor steht, treibt je nach Drehrichtung eines der beiden Antriebsräder an und sorgt damit für einen beidseitigen Aufzug. Der Nachteil dieser Lösung ist, daß hier ein recht großer Leerweg entsteht, der Rotor beim Wechsel also erstmal relativ ohne Eingriff ins Leere läuft.
Über ein Reduktionsrad wird das obere Sperrrad, welches ausschließlich für den Automaticmechanismus gedacht ist, angetrieben.
Die Sperrklinke am linken Antriebsrad verhindert das ungewollte Ablaufen.
Bis auf das fliegend gelagerte Wechselrad laufen alle Räder in Rubinlagern.
Eine ebenso einfache wie geniale Kupplung wird für das obere Sperrrad verwendet: Nicht das Sperrrad selbst, sondern nur die Federhausachse mit der oben angesetzten Rutschkupplung steht mit dem Federkern in Verbindung. Beim Aufzug per Hand entkoppelt die Rutschkupplung den Automaticmechanismus; beim Aufzug per Rotor steht sie im Eingriff.
Das Kienzle 057/21d basiert im Räderwerk noch deutlich sichtbar auf dem Kaliber 48.
Der Antriebsstrang ist wie folgt: Federhaus - Minutenrad - Kleinbodenrad - Sekundenrad (mit dezentraler Sekunde) - Ankerrad.
Das Kienzle 057/21d nutzt die im eigenen Haus entwickelte Rubin-Stiftankerhemmung. Sie stellt einen Kompromiß zwischen der teueren und technisch anspruchsvollen schweizer Ankerhemmung und der billigen aber unpräzisen Stiftankerhemmung mit Metallstiften dar.
Die Ankerstifte besitzen eine halbierte Zylinderform, auf welche die Zähne das Ankerrad exakt angepaßt ist.
Lt. Kienzle soll diese Hemmung praktisch gleichwertig zu einer schweizer Palettenankerhemmung sein.
Natürlich sind in diesem Werk alle Lager mit Rubinen ausgestattet; die Ringunruh läuft in zwei hauseigenen Stoßsicherungslagern, wobei allerdings das zifferblattseitige Lager aus einem starren Lagerstein und einem beweglichen Deckstein besteht, also nur gegen frontale Stöße Schutz bietet, nicht aber gegen seitliche Stöße.
Das Federhaus mit der Schleppfeder kann komplett durch Lösen einer Feder bei “12” entnommen werden, ohne das Werk zu zerlegen.
Zifferblattseitig erkennt man gut den Wippenaufzug und das zifferblattseitige Gesperr. Es ist zwar qualitativ gut ausgeführt, kommt aber in Punkto Verschleiß und Betriebssicherheit nicht an den teuerern Kupplungsaufzug heran.
Ein sehr ungewöhnliches Detail sind die Zifferblattfüße, die mit Schrauben(!) an der Grundplatine gehalten werden.
Im Labor
Zeitwaagen-Ergebnis
Die Gangwerte sind durchwachsen, für ein Stiftankerwerk aber durchaus nicht schlecht. Möglicherweise sind sie durch das nicht optimale Ölen des Ausgangs-Ankerstifts etwas verfälscht.
Krone rechts (12 oben)

Krone oben (3 oben)

Krone links (6 oben)

Krone unten (9 oben)

Zifferblatt oben

Zifferblatt unten
Technische Daten
Hersteller: | Kienzle |
Kaliber: | 057/21d |
Größe: | 12 3/4''' (gemessen: 29,6mm) |
Halbschwingungen pro Stunde: | 18000 |
Anzahl Steine: | 21 |
Hemmung: | Stiftanker |
Unruh-Ausführungen: |
Nickel-Ringunruh |
Stoßsicherung(en): |
Kienzle |
Unruhlagerung / Richtung Spirale: | Uhrzeigersinn |
beweglicher Spiralklötzchenträger: | nein |
Regulierorgan: | Rückerzeiger mit langem Arm |
Werksaufbau: |
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Bauweise: | Pfeilerbauweise |
Aufzugstyp: | Wippenaufzug |
Winkelhebelfeder: | 2 Loch/Löcher |
Ausstattung: |
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Produktionszeitraum: | 1956-1963 |
Erwähnung in Artikeln (Jahre): | 1960 |