Beschreibung
Das Sea-Gull 2503 ist ein chinesisches Automaticwerk mit manuellem Vollkalender, sichtbarer Unruh und angedeutetem Tourbillon. Laut Chinese Watch Industry Wiki zählt es zur “Premium Line”, also zu den besten Werken, die Sea-Gull produziert.
Im Gegensatz zu den meisten anderen chinesischen Werken, ist es an den sichbaren Stellen dekoriert, mit einem Schrägschliff an den Außenseiten der Räderwerksplatinen und mit einer Perlierung auf den restlichen Oberflächen. Die Perlierung ist allerdings nur sehr oberflächlich und deutlich weniger ausgeprägt, als bei dekorierten schweizer Werken.
In Punkto Ausstattung kann es mit einer Tag-Datumsanzeige punkten, sowie mit einem Vollkalender (Monat und Jahr), welcher allerdings komplett manuell per Knopfdruck verstellt werden muß. Dazu und zu weiteren, teils kuriosen Ausstattungsdetails später.
Basiswerk
Die Grundplatine ist relativ dick; zentrales Element ist die offenen Unruh, deren Lager ebenso wie das Ankerlager an einer Brücke befestigt ist. Der Rest des Räderwerks, welches mit zeitgemäß direkt angetriebener Zentralsekunde und zifferblattseitig indirekt angetriebenem Zeigerwerk umgesetzt ist, ist ebenfalls durch die Bank mit Steinlagern versehen. Wie bei Werken mit offener Unruh ist auch hier die Montage des Ankers eine gewisse Herausforderung, die viel Geduld erfordert.
Die dreischenklige Ringunruh (möglicherweise aus Glucydur? Die Form würde zumindest darauf hinweisen) ist in zwei Stoßsicherungen, die an Incablocs erinnern, gelagert und schwingt mit der sehr unüblichen Zahl von 23.400 Halbschwingungen pro Stunde. Ursprünglich sollte das Werk mit 28.800 Halbschwingungen auf den Markt kommen, aber aus technischen Gründen [4] wurde sie durch Modifikationen am Räderwerk reduziert.
Ein praktisches Detail dieses Werk ist der Sekundenstop, der durch eine Feder, die bei gezogener Krone leicht an den Unruhreif drückt, umgesetzt ist. Technisch ist diese Lösung auch state-of-the-art und ist auch in schweizer Werken zu finden.
Die Oberfläche der Räderwerksbrücke ist bis auf den nicht nichtbaren Innenbereich (durch den Automaticmechanismus verdeckt) mit einer leichten Perlierung versehen. Bei “1:30” erkennt man das Steinlager des Automatic-Triebs, und bei 12 Uhr das (technisch überflüssige) Steinlager des Federhauses.
Zifferblattseitig liegt bei 10 Uhr der Trieb für das Minutenrad, sowie bei 4:30 eine Aussparung für den Trieb, der später das Pseudo-Tourbillon (oder wahlweise auch eine Sekundenanzeige auf 6 Uhr) antreibt.
Vollkalender
Das ST2503 besitzt einen manuellen Vollkalender mit Anzeige von Tag, Wochentag, Monat und Jahr, wobei die beiden letzteren Anzeigen rein manuell mit Hilfe von Drückern fortgeschaltet werden. Rein technisch wäre es kein großer Aufwand gewesen, zumindest beim Übergang von Tag 31 auf Tag 1 den Monat um eine Stelle, sowie beim Übergang von Dezember auf Januar die Jahresindikation weiterzuschalten, eigentlich schade, denn so wirkt das Werk irgendwie unvollständig, was dem Anspruch, zu den besseren Werken von Sea-Gull zu gehören, etwas entgegensteht.
Wochentag (links) und Tag (rechts) werden mittels zweier Zeiger angezeigt. Beide Indikatoren schalten langsam, über mehrere Stunden, besitzen aber zwei(!) Schnellverstellmechanismen gleichzeitig: Einerseits kann mit den Drückern auf 8 bzw. 4 der Wochentag bzw. das Datum fortgeschaltet werden, andererseits sorgt die Plastikdatumsscheibe mit ihrem beweglichen Finger dafür, daß das Datum beim Vor- und Zurückdrehen der Uhrzeit halbschnell und nur vorwärts fortgeschaltet wird. Der Wochentag wird dagegen mit seinem beweglichen Doppelfinger mit größerem zeitlichem Spiel beim Zurückdrehen der Uhrzeit zurückgeschaltet.
Einen tieferen Sinn dieser gleichzeitigen Verstellmechanismen kann ich mir nicht erklären, vielleicht waren ja verschiedene Abteilungen bei der Konstruktion des Datumsmechanismus beteiligt…
Unten sieht man ein Sekundenrad(!), welches durch einen Trieb bei 4 Uhr gespeist wird, und die Illiusion des drehenden Käfigs eines Tourbillons erzeugen soll. Über den Sinn und Unsinn dieses Gimmicks soll hier nicht gesprochen werden, technisch ist es jedenfalls einwandfrei umgesetzt, alle Lager sind mit Steinen verstehen, und das sehr große Zahnrad ohne Unwucht bringt auch keinerlei zusätzliche Gangabweichungen. Prinzipell wäre es auch möglich, einen Sekundenzeiger darauf zu setzen - der Zapfen weist bereits die notwendige Länge dafür auf.
Ein wenig hemdsärmelig ist die Konstruktion (wenn man sie überhaupt als solche bezeichnen darf) der Jahres- und Monatsscheibe: Hier wurde einfach die bedruckte Blechscheibe auf das Schalt-Zahnrad gesteckt! Mit leichtesten Kräften läßt es sich abziehen, wenn es nicht ohnehin von selbst abfällt. Sowas geht besser!
Die oberste Unruhbrücke ist übrigens nur Zierde, mit ihr soll, zusammenden mit dem großen Sekundenrad die Illusion eines drehenden Tourbillonkäfigs erzeugt werden.
Automatik-Aufzug
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Der Automatik-Aufzug ist optisch stark an eine Mischung vom ETA 2824 (runde Platinenform) und ETA 2892 (Rotor mit großem Kugellager und Zahnrad) angelehnt. Technisch erinnert dagegen nur wenig an einen ETA-Aufzug, da der Aufzug des ST2503 nur einseitig erfolgt; in der Gegenrichtung wird der Rotor durch ein rutschendes Zahnrad (erkennbar am länglichen Lager bei 10 Uhr) abgekoppelt.
Der Rotor ist innen kugelgelagert mit einem sehr großen Lager, was zwar für einen etwas lauteren Ruf sorgt, dafür aber Probleme mit schleifenden Rotoren aufgrund von ausgeleierten und/oder nicht paßgenauern Lagern schon im Keim eliminiert.
Der Aufzugsmechanismus des Werks ist ein wenig skurril ausgeführt, weil es gleich zwei verschiedene, gleichzeitig arbeitende Möglichkeiten gibt, die Krone beim Rückwärtsdrehen abzukoppeln:
Zu Einen ist eine ganz alltägliche Breguetverzahnung im Kupplungsrad verbaut, zum Anderen ist eines der beiden Übersetzungsräder des Aufzugs (hier bei 6:30 Uhr) beweglich gelagert (man sieht ganz deutlich das ellipsenförmige Lager), so daß es beim Zurückdrehen aus dem Kraftfluß rutscht und auskuppelt. Auch dieser Mechanismus ist an sich nicht unbedingt ungewöhnlich und auch bei anderen Werken verbaut, aber die Kombination beider Mechanismen ist definitiv etwas besonderes. Nach dem Warum sollte man sich nicht zu viele Gedanken machen, vielleicht waren auch hier wieder zwei Abteilungen beteiligt.
Verarbeitung und Qualität
Über die Verarbeitungsqualität chinesischer Werke sind schon ganze Romane geschrieben worden, meist mit negativem Unterton.
Das hier vorliegende ST2503 ist qualitativ nicht herausragend, aber auch nicht schlecht. Die Konstruktion ist mit Ausnahme einiger Skurillitäten ordentlich und auf der Höhe der Technik. Was aber spätestens einem Uhrmacher auffällt, ist die schlechte Verarbeitung der Schrauben: Ihre Köpfe sind praktisch ausnahmslos so flach, daß es extrem schwierig ist, mit dem Schraubenzieher sauberen Halt zu bekommen, und nicht abzurutschen. Im obigen Bild kann man gut erkennen, daß die Schlitze der Schraubenköpfe sehr breit und dafür sehr flach sind. Ein Durchrutschen ist hier praktisch vorprogrammiert, bzw. wenn die Schrauben deswegen nicht wirklich fest angezogen werden können, werden sie sich früher oder später lösen und im Werk herumfliegen.
Auffällig ist außerdem die recht grob ausgeführte Unruh-Partie. Die Unruh selber ist relativ dick und nicht weiter feinbearbeitet, die Unruhfeder ist vergleichsweise starr und außerdem recht anfällig gegen Magnetismus. Beim vorliegenden Exemplar ist es nicht gelungen, die Spirale zu entmagnetisieren.
Würde Sea-Gull etwas mehr in das Schwingungssystem investieren, so könnte man eine wesentlich bessere Ganggenauigkeit und Langzeitstabilität erreichen.
Technische Daten
Hersteller: | Sea-Gull |
Kaliber: | ST2503 |
Größe: | 13 1/2''' |
Halbschwingungen pro Stunde: | 23400 |
Anzahl Steine: | 29 |
Hemmung: | Anker |
Unruh-Ausführungen: |
Glucydur-Ringunruh |
Stoßsicherung(en): |
China (verschiedene Ausführungen) |
Unruhlagerung / Richtung Spirale: | Unruhbrücke |
beweglicher Spiralklötzchenträger: | ja |
Regulierorgan: | Spiralschlüssel |
Werksaufbau: |
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Bauweise: | Massivbau |
Aufzugstyp: | Kupplungsaufzug |
Ausstattung: |
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Produktionszeitraum: | 2000- |